Samstag, 12.11.2022

Hội An

Als wir am 16.11 nachmittags in Hội An ankamen, bummelten wir durch die in gelben Farbtönen und mit Lichterketten und Laternen dekorierte Altstadt, kauften Früchte auf dem Markt und probierten lokale Spezialitäten wie Kokosnuss Kaffee oder Kaffee mit salziger Creme. Zu Abend aßen wir ein wenig außerhalb der Altstadt, da es dort billiger war, aber gönnten uns als Nachtisch einen banana pancake für 40 000 Dong (1,55€). Abends fand ein Laternenfest auf dem Fluss statt, ein super schöner Anblick wie sich die vielen Lichter und Laternen im Wasser spiegelten. Wir kauften Tickets für eine kleine Bootsfahrt (150 000 Dong, 5,81€ für 3 Personen) und wurden für eine halbe Stunde auf dem Fluss herumgefahren. Im Hintergrund spielte (etwas gewöhnungsbedürftige) vietnamesische Musik und zum ersten Mal fühlte ich mich im Land angekommen. Wir schickten in kleinen „Papierlaternen“ Wünsche ins Wasser, sehr kitschig, aber hat Spaß gemacht.

 

Am nächsten Tag machten wir eine private halbtages Tour auf runden Bambusbooten. Gebucht hatten wir die Tour am Tag zuvor, als uns der Bootsfahrer auf dem Fluss an seine Schwester weiterleitete. Wir konnten auf 250 000 Dong (9,73€) pro Person verhandeln, ein unschlagbarer Preis.

Unser „englisch sprachiger“ Tourguide war zwar leider doch nicht so englisch sprachig wie gedacht, von daher habe ich auf der Tour nicht allzuviel über Bambus gelernt, aber er war sehr bemüht tolle Fotos von uns zu machen. Das Familienunternehmen bemühte sich sehr, uns eine perfekte Show und tolle Fotoshootings zu bieten. Uns ist schon oft aufgefallen, dass Vietnamesen vor allem posieren, was edel oder teuer aussieht. Sei es in Sapa vor der Kirche, in Hanoi vor dem Gucci Laden oder in Ho Chi Minh vor ehemaligen amerikanischen Panzern im Kriegsmuseum. In diesem Fall waren es Bambusstäbe. Für uns fühlte es sich ein wenig affig an, vor allem, weil sie das Handy beim Fotografieren falsch herum hielten und somit die Bilder in einem nicht schmeichelhaften Winkel schossen. Sie hatten genaue Vorstellungen, wie wir posieren sollten und bevor diese nicht erreicht wurden, wurde auch nicht aufgehört. In der Situation ein wenig unangenehm aber insgesamt sehr witzig und süß, wie sie sich bemühten.

 

Ich durfte sogar ein Fischernetz werfen (natürlich alles Touristenshow, in dem Fluss leben gar keine Fische ;)) und vergaß beim ersten Versuch, es loszulassen, weswegen ich beinahe ins Wasser fiel. Beim zweiten Mal klappte es schon besser.

Wir wurden durch die Wälder an Bambusstöcken gerudert und bewunderten die Natur.

 

Am Nachmittag flitzen wir zum Strand und kühlten uns ein wenig im Meer ab. Zwar war der Himmel oft bewölkt und es regnete ab und zu, aber warm war es trotzdem. Da die Sonne schon um kurz nach 5 untergeht, hatten wir den ganzen Strand für uns. Wir hörten Musik, tanzen im Sand und tobten in den Wellen.

Nach dem Abendessen gingen wir nochmal in die Altstadt und tranken zum Tagesabschluss ein, zwei Bier, welche sehr günstig waren (50ct). Wir ahnten kaum, welche Abenteuer der nächste Tag mit sich brachte.

Da wir ja den mehrtägigen Ha Giang Loop im kalten Norden übersprangen, wollten wir als Ersatz den Hai Van Pass auf Rollern meistern. Dieser verläuft an der Küste entlang, von Hội An, über Đà Nẵng nach Huế. Laut Google Maps brauchte man 3,5h nach Huế, also war unser Plan, dorthin zu fahren, uns die Stadt anzuschauen und im Anschluss wieder zurück zu fahren. So in der Theorie.

Wir starteten unausgeschlafen, aber munter in den Tag, mieteten nach dem Frühstück drei Roller bei unserer Unterkunft, kauften Snacks und Wasser auf einem Markt in der Nähe und düsten um 9:30 Uhr los.

Leider rutschte mein Helm von meinem Kopf, sobald wir schneller als 60kmh fuhren, egal wie fest ich diesen stellte. Wir mussten ein paar Mal anhalten, um das Problem zu lösen und nach einem kollektiven Durchtauschen, hatte jeder einen Helm, der ihm passte.

Der Weg nach Đà Nẵng war überhaupt kein Problem, mit dem Verkehr kamen wir gut zurecht und die Sonne strahlte uns an. Wir fuhren so gut es ging als feste dreier Einheit, die vorderste Person navigierte. Alles lief super, bis Leonies Handy beim Überfahren von Gleisen aus der Rollerhalterung auf die Straße fiel. Die Hülle löste sich noch im Flug und der Bildschirm splitterte beim Aufprall. Sofort hielten wir an, sammelten die Teile von der Straße und hielten Krisenrat in einer kleinen Kaffeebude am Straßenrand. Wir bestellten eine Cola und begutachteten den Schaden. Leonie konnte die Situation zum Glück mit Humor nehmen, wäre mir das passiert, hätte ich geweint. Durch unsere professionellen Expertenmeinungen, kombiniert mit ein paar Google Artikeln, kamen wir zu dem Entschluss, dass wahrscheinlich nur das Display kaputt war. Das Handy spielte nämlich weiterhin Musik, was man durch die Kopfhörer steuern konnte und die Google Maps Navigation war auch noch intakt.

Wir entschieden uns dazu, weiterzufahren und am nächsten Tag bei dem Handyladen gegenüber unserer Unterkunft nachzufragen.

Im Hinausgehen blieb Pauline versehentlich am Tisch hängen und stieß ihr Glas um. Es fiel auf den Boden und sprang in Scherben. Sehr unangenehm, da wir eh schon herausstachen und die Leute uns beobachteten, aber alle Gäste fingen an sich lauthals zu beschweren, als wir die großen Glasscherben aufsammeln wollten und Besitzerin des Ladens war uns zum Glück nicht böse und wollte absolut kein Geld als Entschädigung annehmen (Nach einigem hin und her drückte ich ihr schnell doch ein wenig Geld in die Hand und wir rannten aus dem Laden, damit sie es uns nicht mehr zurück geben konnte).

Danach ging es weiter über den Hai Van Pass, die kurvigen Straßen waren für uns gar keine Schwierigkeit. Wir erfanden ein Hupsignal, wenn eine von uns an einer Stelle anhalten wollte, um die Aussicht zu genießen.

So fuhren wir für ca. 2 Stunden und als wir den Berg überquert hatten, hielten wir beim erst besten Lokal an, um zu Mittag zu essen. Leider gab es dort nur Seafood (teuer), weswegen wir gezwungen waren, eine wahrscheinlich eher ungewöhnliche Kombination an (billigem) Essen zu bestellen. Durch die Sprachbarriere ist es meistens ein Glücksspiel, was man serviert bekommt, da die Angestellten unsere Wünsche oft nicht verstehen.

Nach dem Mittagessen fuhren wir mehrere Stunden zwischen Reisfeldern, Stieren und kleinen Dörfern. Glücklicherweise schien die Sonne, was zwar zu Sonnenbrand auf Oberschenkeln und Gesicht führte, aber wir genossen das schöne Wetter und hielten nur alle 30 Minuten, um die Route zu planen. Um 17 Uhr waren es noch eine Stunde bis nach Huế und uns wurde klar, dass es sich nicht lohnte, bis in die Stadt zu fahren, da wir noch am selben Tag zurück fahren wollten. Also machten wir ein Picknick am Strand, ruhten uns kurz aus und traten den Rückweg an.

Durch die Abenddämmerung waren unsere Körper übersäht von toten Insekten, aber wir wollten nicht noch mehr Zeit verschwenden. Den Heimweg fuhren wir nicht mehr über den Pass, sondern nahmen die Landstraße, die zur Autobahn überging, ohne dass wir es bemerkten. Die Freude über eine asphaltierte Straße war anfangs zu groß, um etwas Böses zu vermuten. Der Fahrtwind war kühl, aber die Sterne strahlten hell und klar am Himmel. Je länger wir fuhren, desto leerer wurden die Straßen und desto unwohler fühlten wir uns. Ein zunehmendes schlechtes Bauchgefühl begleitete uns, aber niemand wollte anhalten, um es anzusprechen. Wir wollten einfach nur noch nach Hause, das Massengrab an Insekten von unserem Körper abwaschen und ins Bett fallen. Die rechte Hand schmerzte vom dauerhaften Gas geben und der Sonnenbrand machte sich bemerkbar.  Nach 1,5 Stunden Fahrt auf der inzwischen menschenverlassenen Autobahn fuhren wir um eine Kurve und sahen einen hellen Tunnel auf uns zukommen. Plötzlich sprang ein Polizist auf die Straße und winkte uns mit einem Leuchtstab von der Straße. Wohl oder Übel hielten wir an. Er fing an auf vietnamesisch zu reden und auf ein Schild über dem Tunnel zu gestikulieren:

Keine Roller erlaubt. Na klasse. Im ganzen Land wird keine einzige Regel des Straßenverkehrs eingehalten, Ampeln werden ohne zu schauen überfahren, 12 Jährige fahren ihre Geschwister in die Schule und Massen an Waren werden auf Rollern transportiert, aber DIESER EINE Tunnel darf nicht durchfahren werden. Die Polizisten machten Fotos von den Kennzeichen unserer Roller und kontrollierten die Tankanzeigen. Da keiner der 8 Polizisten Englisch sprach, wurde über Google Translate kommuniziert.

Ein Polizist meinte: „We will bring you somewhere, I will drive you” und zeigte uns Bilder von einer matschigen Straße auf seinem Handy. Ähmmm was? Nein, danke. Es war 20:30 Uhr, stockdunkel und wir sind junge Frauen. Ich sah schon die Schlagzeilen vor meinen Augen „drei Europäerinnen nach Rollertour in Vietnam vermisst.“ Wir baten einen Polizisten, die Nummer von unserer Unterkunft zu wählen, aber er weigerte sich anfangs. Mein Handy hatte durch das Navigieren nur noch 10% Akku, aber ich verschickte schnell meinen Standort an Freunde, um Sicher zu gehen. Ich bestand darauf, erst zu telefonieren, bevor wir irgendwo mitgingen, also riefen wir die (englischsprachige) Tochter der netten Dame von unserer Unterkunft an und erklärten ihr die Situation. Anschließend sprach sie mit einem Polizisten, welcher danach das Gespräch beendete. Eine Antwort, was mit uns nun passierte hatten wir immer noch nicht, aber wir fühlten uns ein wenig sicherer. Wir nahmen die gesamte Situation mit Humor und versuchten das Beste daraus zu machen. Ohne kurzes Gruppenfoto und Selfies durfte es natürlich nicht weitergehen:

Im Anschluss fuhr der Mann links auf dem Bild mit meinem Roller voraus (mit mir hinten drauf) und wir wurden für etwa 5 Minuten mit Autoscheinwerfern begleitet, bevor wir in einen matschigen Feldweg abbogen. Ich war froh kutschiert zu werden und diese Zumutung an Straße nicht selbst fahren zu müssen. Beim lautstarken Gequengel und Gemecker von Leonie und Pauline kicherte der Polizist immer wieder amüsiert. An den schwierigsten Stellen stiegen wir ab und er fuhr unsere Roller durch den Matsch, was sehr nett war.

Er war der sympathischste von allen Polizisten und obwohl wir nicht verstanden, was der jeweils andere sagte, leuchtete er mit seiner Taschenlampe oft in die Dunkelheit, um uns Flüsse, Frösche oder Stiere zu zeigen. Nach vielleicht 45 Minuten auf der Horrorstraße hatten wir den Fuß der anderen Seite des Berges erreicht und am Tunnelende markierte sein Kollege mit einem Laserpointer eine Stelle, wo er uns wieder alleine fortschickte. Wir fuhren außer Reichweite der Polizisten und machten eine 2 minütige Verschnaufpause, um auf unser absurdes Erlebnis klarzukommen. Unser Tank war inzwischen ziemlich leer, aber uns blieb nichts anderes übrig, als der Straße zu folgen. In der Dunkelheit fuhren wir manchmal beinahe gegen auf der Straße liegende Stiere oder Straßenhunde. Oft hatten wir kein Netz, weswegen wir nach dem Weg fragten, sobald wir durch kleine Dörfer fuhren und konnten sogar bei einem Straßenstand tanken, der Benzin in Plastikflaschen verkaufte.
Wir erreichten Đà Nẵng nach einer Dreiviertel Stunde und fielen mal wieder über das erstbeste Essenslokal her. Mit der vietnamesischen Speisekarte konnten wir nicht viel anfangen, aber der Besitzer kam uns zur Hilfe, indem er fragte, ob wir Fleisch und Ei aßen. Normalerweise wäre eine vietnamesische Speisekarte kein Problem gewesen, sonst bestellten wir immer Reis und Gemüse, aber das gab es dort nicht. Wir bestätigten seine Fragen und ließen uns mal wieder überraschen, was er uns servierte. Es war Fleisch vom Kuhschenkel, Salat und uns unbekanntes Gemüse. Er fragte, ob er und seine Angestellte sich zu uns setzen dürften, was wir natürlich erlaubten. Mit Google Translate wurden die gröbsten Fragen geklärt, woher wir kamen, wie alt wir waren etc. und sie erklärten uns sogar, wie man das Essen am besten aß (man musste es in verschiedene Sachen einwickeln und in bestimmte Soßen tunken). Leider muss ich zugeben, dass es uns nicht gut schmeckte, aber was muss, das muss. Natürlich durfte auch hier zum Abschluss ein Foto nicht fehlen und wir düsten für weitere 1,5 Stunden Richtung Hội An.

 

Die Straßen und die restlichen Verkehrsmittel waren nass, anscheinend sind wir den Regen um wenige Minuten entkommen, mussten aber langsamer fahren, um keinen Unfall zu riskieren. Um halb 12 erreichten wir unsere Unterkunft in Hội An, wo wir sehr herzlich empfangen wurden, duschten und fielen ins Bett. Was ein Abenteuer!

Am nächsten Tag (19.11) war es leider Zeit Abschied von Hội An zu nehmen, denn mein Visum galt nur noch für ein paar Tage und ich wollte noch unbedingt Ho Chi Minh gesehen haben. Um 16 Uhr wurden wir von einem Minibus abgeholt, der uns zu einem Häuschen brachte. Dort mussten wir eine Stunde lang warten und wurden in den nächsten Minibus gesetzt. Dieser stand komischerweise für eine Weile einfach herum, bis wir schließlich um 18 Uhr eine Busstation erreichten. Dort warteten wir erneut, bis um 18:15 Uhr unser Schlafbus ankam (wir hatten eigentlich den 17 Uhr Schlafbus gekauft, aber es hätte mich auch gewundert, wenn alles geklappt hätte). Während der gesamten Fahrt (20 Stunden) saßen wir drei leider nicht nebeneinander, was aber nicht weiter tragisch war, da es eh am Besten ist, so viel wie möglich zu schlafen, um die Zeit herum zu kriegen. Das Ticket kostete 550 000 Dong (21,61€), was für so langes Reisen echt günstig ist. Man bezahlt jedoch nur für die Leistung und Benzin, nicht für Hygiene. Einer der Busfahrer putzte die Sitze der ausgestiegenen Gäste mit deren Bettdecke, faltete diese wieder zusammen und legte sie zurück auf den Sitz, bereit für den nächsten Gast. Wann die Decken zuletzt gewaschen wurden, will ich gar nicht wissen. Manchmal ist Unwissenheit der bessere Komfort.

Wir kamen einen Tag später am Busbahnhof in Ho Chi Minh an, nahmen ein Taxi zu unserem Hostel und duschten sehr, sehr gründlich. Da Sonntag war und wir Sonntags immer europäisch Essen gingen (Sonntag = Gönntag), gab es abends eine leckere Pizza für jeden.

Zur Metropole Ho Chi Minh kommt ein anderes Mal mehr :)